Im Dezember letzten Jahres kündigte Bröselchen von „Bröselchens Bücherregal" das Jahr der Königskinder an, kurzum auch #JdKöKi genannt und unter selbigem Hashtag auch in den sozialen Medien zu finden (zum Originalartikel der Ankündigung geht´s hier entlang.). Der Königskinder Verlag gehört zum Carlsen Verlag und besticht durch wunderschöne Cover, tolle Erzählungen und eine hochwertige Aufmachung.
Jeden Monat stellen Blogger im Rahmen des #JdKöKi nun neue Titel des Verlags vor; Leser können ihren Lieblingstitel abstimmen, selbst mitlesen und/oder verfolgen, wie es den Bloggern mit dem Titel des Monats geht. Im Februar wurde „Alles, was ich sehe" zum interessantesten Titel gewählt - in dem Monat ebenfalls mein Favorit, so dass ich das Buch auch selbst unbedingt lesen musste. So viel sei vorweg gesagt: Eine unbedingte Lese-Empfehlung, egal zu welchem Anlass!
Maggie ist 17, mitten in der Pubertät, voller Tatendrang und Lebensfreude, als sie erblindet. Es ist der Schock für die ganze Familie, denn das ganze Leben muss umgekrempelt werden: Maggie soll von nun an auf die Blindenschule, kann nicht mehr Fußball spielen wie bisher und auch im Haus muss ab jetzt alles seine Ordnung haben, damit sie sich besser zurecht findet. Das Training mit dem Blindenstock und ihrer Trainerin Hilda macht ihr zu schaffen und überhaupt ist es doch viel einfacher im Bett zu bleiben und nichts zu tun.
Bis sie mit Ben zusammen trifft. Im wahrsten Sinne des Wortes: Bei ihrem Arzt stößt sie mit Ben zusammen, fällt hin und kann auf einmal wieder sehen - über ein halbes Jahr nach ihrer Diagnose. Es ist nicht viel und sie sieht auch nur etwas, wenn der Junge in ihrer Nähe ist, aber für sie ist es ein kleines Wunder, das sich auch medizinisch nicht erklären lässt.
Und, auch, wenn Ben einige Jahre jünger ist als sie (was in der Teenagerzeit ja normalerweise Welten sind), freut sie sich ihn getroffen zu haben und ab jetzt viel Zeit mit ihm verbringen zu können. Nicht nur, weil Ben ihr wieder Licht in ihre Dunkelheit gibt, sondern auch, weil er ihr zeigt, dass man Lebensziele braucht, Wünsche, Ideen und Dinge verwirklichen sollte - egal, wie es einem geht oder mit welchen Einschränkungen man zu kämpfen hat. Ben spricht aus Erfahrung, nimmt er doch an Schwimmwettbewerben teil, obwohl er dauerhaft an Krücken laufen muss.
Bens Eltern, die Miltons, nehmen Maggie herzlich auf und freuen sich, dass ihr jüngerer Sohn eine Freundin gefunden hat, die ihn so akzeptiert wie er ist. Doch Bens älterer Bruder, Mason, glaubt Maggie nicht ganz, dass sie blind ist und behandelt sie distanziert und abweisend. Blöd nur, dass Mason auch Leadsänger von Maggies Lieblingsband, den Loose Cannons, ist und sie alles geben würde, ein spontanes Konzert von ihnen besuchen zu dürfen.
Natürlich könnte man jetzt meinen, das Chaos nimmt nun seinen Lauf, aber die Schwärmereien von Maggie für Mason sind in dem Debüt von Marci Lyn Curtis nicht der Hauptfokus der Geschichte. Natürlich mag Maggie Bens großen Bruder sehr und würde auch mit ihm gerne viel mehr Zeit verbringen, aber es ist nicht die Liebesgeschichte, die in dem Buch im Vordergrund steht.
Es ist Maggies Verzweiflung, schlechte Laune, ihr Zynismus, ihre Faulheit, die den Leser animieren, immer weiter zu lesen. Es ist so gut nachvollziehbar, dass es ihr schwerfällt ihre Blindheit zu akzeptieren, dass sie stur ist und dass sie einfach ihre Ruhe haben will, obwohl sich ihre eigene Familie sehr um sie sorgt. Aber wer will schon mit 17 zum Therapeuten, um über die Gefühle und Veränderungen zu sprechen? Hat man dafür nicht beste Freundinnen? Doch auch die müssen sich neu finden, neu entwickeln und neu kennenlernen. Maggie ist blind nicht mehr dieselbe, die sie sehend war - das muss auch ihr engstes Umfeld erst langsam lernen.
Und dann ist da ja noch die eingeschränkte Sicht, immer, wenn sie sich in der Nähe von Ben aufhält. Während der Leser rätselt, wieso sie auf einmal Ausschnitte sehen kann, braucht auch Maggie ihre Zeit herauszufinden, welchen Grund es dafür gibt.
Die Erzählweise aus Maggies Sicht ist flott und frech und zieht einen bereits ab der ersten Seite in den Bann das Buch nicht mehr weglegen zu wollen.
„Alles, was ich sehe" entwickelt sich so zum Page-Turner trotz der Tragik, die Maggie widerfahren ist. Man fiebert mit ihr, man schämt sich, wenn sie in der Drogerie wie ein Tollpatsch behandelt wird, und man fühlt mir ihr, wenn sie versucht wieder ein ganz normales Leben zu führen.
Die Geschichte von Maggie ist emotionsgeladen, trieft dabei aber nicht vor Liebe und Kitsch, sondern zeigt eher auf, wie es einem Mädchen mit neuen Herausforderungen ergehen kann. Maggie könnte eine junge Frau von nebenan sein - das macht das Buch und Gesamtkonzept der Story umso sympathischer und ist damit einer der schönsten Drama-Erzählungen, die ich seit langem gelesen habe.
Hier spielt neben der ersten Liebe so viel mehr eine Rolle, dass das Buch nicht zu einem klassischen „Young Adult"-Roman macht, sondern auf sympathische Weise mit den Themen Familie, Freunde, Blindheit/Erkrankungen, Liebe und Tod umgeht, dass „Alles, was ich sehe" unbedingt lesenswert macht.
Das Buch ist für alle, die mehr lesen wollen als Herzschmerz und eine klassische Teenager-Romanze.
Weitere Empfehlungen:
- Wer mehr zu den Büchern des Königskinder-Verlags lesen möchte, folgt Bröselchen und der monatlichen Abstimmung hier oder der direkten Verlagsseite hier.
- Zu kaufen gibt es „Alles, was ich sehe" hier* oder in jeder örtlichen Buchhandlung.
- Zum Rezept für selbstgemachte Krokant-Ostereier geht es hier entlang.
- Die zufällig passende Lieblingstasse ist von Arzberg und hier* erhältlich.
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[daniela]