Diese Rezension - ob ich sie schreibe und wie ich sie formuliere - hat bei mir gedanklich sehr lange gedauert. So viel sei bereits vorweg genommen. Das liegt auch daran, dass ich das Buch kurz vor Ende aufgehört habe zu lesen. Wo ich sonst meist nach max. 100 Seiten merke, ob mir die Geschichte gefällt, habe ich hier bis 100 Seiten vor Schluss die Hoffnung nicht aufgegeben, die Story würde einen für mich noch größeren Spannungsbogen bekommen.
Worum geht´s?
Nora und Paul sind seit guten zwei Jahren ein Paar. Sie arbeitet als Schauspielerin in einer Vorabendserie, er studiert; sie wohnen beide in Hamburg, in unterschiedlichen WGs, sind Mitte/Ende zwanzig und würden ihr Leben gerne mehr genießen können. Nora mit Paul und Paul mit Nora.
Doch genau darin liegt das Problem. Der Alltag plätschert an ihnen vorbei und während sie einerseits viele gemeinsame Momente zusammen erleben wollen, macht ihnen andererseits der Beziehungsblues einen Strich durch die Rechnung.
Da ist zum Beispiel Pauls Exfreundin, die wieder wegen Magersucht im Krankenhaus landet und wegen ihr Paul den gemeinsamen Urlaub mit Nora in Frankreich abbrechen möchte - dabei hatten sie doch gerade ihre Zweisamkeit in Paris mit Wein und Arte so sehr genossen.
Oder Pauls Eltern, mit denen sich Nora auf einmal mehr versteht als Paul selbst. Familiäre Verabredungen geht Nora auch alleine ein, ohne zu wissen, wo Paul gerade ist.
Und da ist das Kernproblem der Geschichte: Paul und Nora reden miteinander aneinander vorbei.
Wünsche, Ideen, Ziele werden von jedem der beiden mal definiert, aber der jeweils andere hört gar nicht so richtig hin, weil es auch noch die eigenen Probleme und Ängste gibt. Oder aber, wenn es mal gut läuft, hören sie sich zu, ändern aber nichts an ihrer festgefahrenen Beziehung.
Irgendwann will Nora vielleicht mal nach Berlin - weil es da so viele Schauspielangebote geben soll; Paul hat die Welt schon gesehen und will nicht in eine andere Stadt umziehen.
Etwas Neues ausprobieren? Auch das bleibt für beide nur Wunschdenken - in der Beziehung sowie im Bett.
Und irgendwie bleibt die Geschichte damit auf ihren Seiten immer an gleicher Stelle - wenn auch immer mal andere Beziehungsprobleme thematisiert werden, geht der Alltag des jungen Paares von Seite zu Seite weiter und es ändert sich nichts.
Mich erinnerte das Buch zwischendurch an „Der Gott des Gemetzels“ oder die französische Komödie „Der Vorname“ - eine Aneinanderreihung verschiedener Kommunikationsproblemen, die nicht gelöst werden, sondern sich - ganz im Gegenteil - immer mal wieder weiter hoch schaukeln.
In einer Rezension habe ich angelesen, das Buch sei zu nahe an der Realität. Vielleicht. So wie eben die Serie, in der Nora mitspielt: Es gibt Höhen und Tiefen, kein Ende in Sicht und immer neue Situationen, denen sich die Protagonisten stellen müssen.
Ich hatte persönlich zwischendurch das Bedürfnis beide aus dem Buch zu holen, am Kragen zu packen, klare Worte zu sprechen und sie wieder zu ihrem Partner ins Buch zu schicken, um endlich mal etwas zu ändern, richtig zuzuhören und wieder Schwung nach (erst) zwei Jahren Beziehung in die Liebe zu bekommen.
Vielleicht, weil ich es zu anstrengend fände, eine solche Beziehung selbst zu führen, vielleicht aber auch, weil ich ihnen gewünscht hätte, dass alles besser wird und es nicht bei den Dialogen bleibt, die eigentlich keine sind.
Nacktschnecken ist ein New Age-Roman wie er in dieses Jahrzehnt einer Generation passt, die Angst vor langjährigen Beziehungen hat, sich lieber mit der nächsten Affäre als mit dem Partner zu Hause auseinander setzt oder gerne auch behauptet, Single sein wäre toll und einen Partner zu haben, müsse jetzt auch gar nicht sein und wäre nicht so wichtig.
Das Buch selbst ist hochwertig gestaltet, wie man es aus dem Dumont-Verlag nicht anders kennt und ich bedanke mich für das Rezensionsexemplar, das mir dieses Mal leider nicht so viel Freude bereitet hat, wie ich es erhofft hatte. Aber ich habe auch gehört, dass man diese Geschichte entweder liebt oder hasst und es kaum dazwischen Meinungen gibt. Und das spricht ja durchaus auch für ein gutes Buch - wenngleich es mir zu wenig Spannung hatte.
[daniela]