Ich liebe obskure, abgedrehte und durchgeknallte Buchprojekte und natürlich auch die Bücher selbst, wenn sie gut sind. Matt Forbeck hat eines von diesen Projekten umgesetzt und eine kleine und fulminante Fantasy-Noire-Trilogie geschrieben.
Er verbindet darin die beiden Elemente Magie und Schrotflinten (oder auch Feuerwaffen allgemein) in einer High-Fantasy-Welt miteinander. Das Konzept Feuerwaffen und Magie kennen zumindest Rollenspieler beispielsweise aus Deadlands. (Bei Deadlands vermischen sich die Generes Cowboy, Horror und Magie miteinander.) Matt Forbeck hingegen spielt virtuos auf einer Klaviatur von klassischen Fantasyelementen und fügt dem rotzfrech einige abgedrehte Elemente hinzu, um den Leser mitzunehmen auf eine actiongeladene, dreiste Achterbahnfahrt durch seine Fantasywelt, die sein Protagonist einmal komplett auf links krempelt.
"Goblintown Justice" ist eine Kurzgeschichte, die Matt Forbeck für sein Kickstarter-Projekt 12 for 12 (Zwölf Romane in zwölf Monaten) benutzt hat.
Dreckig, schmutzig und gemein gibt dieser kleine Prolog uns einen Überblick über die Fantasywelt in der Shotguns & Sorchery spielen wird. Eine riesige Stadt (Dragon City), beschützt von einem Drachen, umgeben von einem zerfallenen Imperium, dessen untote Ex-Bewohner nur darauf lauern, dass sich jemand in die Wildnis wagt. Das tut zum Glück natürlich niemand und so muss die Drachengarde für Ordnung sorgen, in einer Stadt in der alle Rassen eingepfercht sind und sich der Begriff "Lagerkoller" in vollkommen neue Dimensionen erhebt.
In Goblintown (einem Slum von Dragon City) wird man schneller erschossen, erstochen oder von einem Zauber gebrutzelt, als man "Scheiße!" schreien kann.
Zuletzt erschienen, jedoch chronologisch zuerst zu lesen, ist jetzt endlich auch "Friends Like These" erschienen. Eine Kurzgeschichte, die Matt Forbeck wesentlich früher einmal geschrieben hat und darauf soviel positiven Zuspruch erhielt, dass irgendwann die Buchtrilogie daraus geworden ist.
Die Geschichte ist kurz und brutal. Der Anfang strapaziert ein wenig die Bauchmuskeln mit seiner Situationskomik. Der Leser lernt zwei Mitglieder des früheren Grabräuber-Helden-Teams kennen. Vor allem jedoch geht es um den Protagonisten Max Gibson und warum und wieso er Herz und Verstand dieser Gruppe war und leider (für ihn) auch immer noch ist.
Der erste Band der Trilogie heißt "Hard Times in Dragon City" und zeigt unseren Protagonisten bei der Arbeit. Wie sich das in einem Noire-Roman gehört, kriegt der Protagonist häufig aufs Gesicht, landet immer wieder mit dem Gesicht voran in der Gosse und wird von Obrigkeit und Autoritäten herumgeschubst, während alle anderen entweder dringend Hilfe von ihm benötigen oder ihn versuchen hereinzulegen, meist beides gleichzeitig.
Eine ehemalige Partnerin von Max Gibson hat etwas, wofür andere bereit sind über Leichen zu gehen. Da Moira untergetaucht ist, schlachtet sich jemand durch alle Angehörigen der alten Grabräuber-Helden-Truppe, die ihr Unterschlupf gewähren könnten. In seiner zynisch-sarkastischen, schnoddrigen Art, versucht der Protagonist Freunde zu retten, Feinde zu stellen und Geheimnisse aufzudecken, an deren Ende er vor dem Drachen persönlich steht.
Noire im Fantasymantel vom Feinsten!
"Bad Times in Dragon City" erinnert zu Beginn sehr stark an den Vlat Taltos Zyklus von Steven Brust. Sobald der Leser dies glaubt, schnappt der Autor sich diesen Eindruck, packt den Leser am Nacken und schüttelt ihn solange durch bis alle Vergleiche wie Spiegeleier auf dem Boden zerplatzt sind. Und dann holt er richtig aus und zeigt, wie man eine Fantasywelt durch den Fleischwolf dreht, in welche man sich gerade erst eingelesen hatte.
Der Protagonist Max Gibson wird (wie es in einem Noire-Roman auch sein sollte) auch weiterhin von allen Seiten drangsaliert und herumgeschubst. Anders als in einem klassischen Noire Roman, gibt es jedoch keine Lösung aus Beharrlichkeit, Dickköpfigkeit und gutem Ermittlungskönnen; sondern hier kann der Protagonist irgendwann voll aufdrehen und der Welt eine wutentbrannte Rechts-Links-Kombination verpassen ... und siehe da, die Welt hat ein Glaskinn.
Zum letzten Buch hin wird es eine klassische Heldensaga, alles scheint verloren und es sieht keineswegs so aus, als könnte Max Gibson den Tag retten, nie im Leben. Er hat alles richtig gemacht und doch wollen alle ihn so lange wie möglich am Leben erhalten, damit er der zusehen muss, wie die restlich Welt den Bach runter geht und er der letzte sein wird, den das zeitliche segnet.
Ein fulminantes Finale, dass so von voller deprimierender Ausweglosigkeit beherrscht wird, dass man den ständigen Regen quasi vor dem inneren Ohr hören kann. Man wünscht sich nahezu ein Unwetter herbei, damit man diesen Roman in Zucken der Blitze vor dem Fenster genießen kann.
Warum sollte ich diese Bücher lesen?
Der Autor hat in 30 Tagen jeweils einen ca. 50 000 Wörter umfassenden "Kurzroman" geschrieben. Erwarte hier bitte keiner die Wortgewandheit eines Patrick Rothfuss oder Umberto Eco!
Die Bücher sind etwas für Leute mit einer ganz eigenen Art von Humor und einem Faible für abseitige und verquere Fantasy. Man sollte ebenso Noire Fan sein, denn die schnoddrige Art des Protagonisten, der der Welt den Mittelfinger zeigen will, ist nichts, was man so in der klassischen Fantasyliteratur findet (oder nur sehr selten).
Wer sich in diesen wenigen, letzten Zeilen angenehm ertappt fühlt, kann bedenkenlos zugreifen und für den Preis einer großen Pizza (zumindest in Hamburg) drei herzerfrischende Romane und zwei knallharte Kurzgeschichten erwerben, die sich definitiv nicht gewaschen haben. Ganz im Gegenteil, die Rotzblagen treten, spucken, kratzen und beißen was das Zeug hält. Eine Investition also, die sich definitiv lohnt und rein gar nichts mit klassischer Fantasylitertur zu tun hat!
Die Geschichten sind wie ein gute (broken) Ostfriesenmischung: herb im Anklang und im Abgang!
[heiko]