Krieg ist nur vorne scheiße, hinten geht's! von Georg Weber

Trotz des Untertitels "Ein Selbstversuch" hat dieses Buch nichts mit den unsäglichen Geschichten von Günter Wallraff und Konsorten zu tun!

 

Es ist mir ein dringendes Anliegen dies Vorweg zu stellen.

 

Gregor Weber will wissen, was wir (und damit meint er die Bundeswehr, stellvertretend für uns als Bevölkerung) in Afghanistan tatsächlich leisten. Als Schauspieler, Journalist und Autor hätte er den "einfachen" Weg wählen können und für ein oder zwei Tage auf Truppenbesuch gehen können, um einen Artikel zu schreiben.

 

Im Buch legt Gregor Weber dar, warum er diesen Weg nicht wählt. Er will mehr wissen und irgendwann auch erfahren, was die Bundeswehr vor Ort wirklich leisten muss.

 

Ich habe das Buch in etwa fünf Stunden an einem Stück durchgelesen. Zu Beginn hatte ich Angst, dass dieses Buch mit erhobenem Zeigefinger, einseitig die Kriegsgegner oder die Kriegsbefürworter präsentiert; und auch damit gerechnet, dieses Buch nach fünf Minuten wieder aus der Hand zu legen. Dieses Vorurteil von mir hat sich als Irrtum herausgestellt.

 

Das Buch ist außerordentlich gut geschrieben und aufgebaut. Von der ersten Minute an fesseln einen sowohl die Worte, als auch die Handlung an das Buch und die Geschichte von Gregor Weber. Der Leser sieht dem Autor die ganze Zeit über die Schulter und dieser legt dar, vollkommen ruhig und sachlich, warum und wieso sich dieser Mann auf den Weg macht, an einem Krieg teilzunehmen, obwohl er die Wahl hat, daheim bei Frau und Kindern zu bleiben.

 

Alle Argumente dafür und dagegen werden aufgeführt und gewürdigt. Die Reaktionen der Bundeswehr selbst (als Behörde), wie auch der Angehörigen der Bundeswehr (als individuelle Menschen) werden geschildert. Bohrende Fragen und berechtigter Zweifel kommen zu Wort, ebenso wie der lange Weg vom Reservisten zum Einsatzsoldaten.

 

Das Buch ist unglaublich spannend und von einer geradzu kathartischen Klarheit. Wie ein 1000 Watt-Halogenscheinwerfer leuchtet der Autor in jeden Winkel eines Krieges und wie wir als Bevölkerung und Land damit umgehen. Er beschreibt die Eigenwahrnehmung der Bundeswehr, die Schwierigkeiten mit der Öffentlichkeitsarbeit, die schwierige Arbeit in Afgahnistan selbst, die Fehler die begangen werden und vor allem - und da hebt sich das Buch deutlich aus dem Lager solcher Bücher hervor -, er beschreibt die Gefühle die damit einhergehen.

 

Er beschreibt die eigenen Gefühle, zuerst als Außenstehender und dann als Teilnehmender, er beschreibt die Gefühle anderer Menschen, die sich ihm öffnen und von ihren Erfahrungen berichten und das immer wieder so neutral und vorurteilsfrei wie nur möglich.

 

Es ist schmerzhaft dieses Buch zu lesen und es bereitet Freude und das zu gleichen Teilen. Eben weil es immer wieder den Nerv unserer Zeit (unabhängig der Generation) trifft.

 

Mir hat das Buch für vieles die Augen geöffnet und ich sehe sowohl unsere Politik, unser Selbstverständnis als Bürger und auch die Arbeit und Afghanistan mit deutlich anderen Augen als vorher und ich danke dem Autor für diesen klaren Blick auf die wesentlichen Details und die richtigen Fragen.

 

Das Buch ist weder pro noch kontra Krieg bzw. Bundeswehr, sondern erzählt so neutral es geht, eine Reise in eine Kriegszone und den guten, wie den schlechten Dingen die damit einhergehen.

 

Eine ausdrückliche Leseempfehlung für jeden, der die letzten fünfzehn Jahre Politik und Nachrichten miterlebt hat.

 

 

[heiko]