Immer wieder begegne(te)n uns klassische Vorurteile, als wir erzählten, wir ernähren uns vegan oder aber auch in Gesprächen mit anderen Veganern und Omnivoren. Wir gehen elf Punkten auf den Grund und erklären sie.
1. Vegane Ernährung muss nicht teuer sein.
Immer wieder hört oder liest man, dass vegane Ernährung teuer sein muss. Ich weiß nicht, ob das noch aus der "Biomarktszene" kommt oder wer dieses Gerücht in die Welt gesetzt hat. Vegan essen heißt im Ursprung, auf tierische Produkte und Zusatzstoffe in seiner Ernährung zu verzichten. Sprich, im Umkehrschluss müsste dann Fleisch billiger sein als Gemüse. Ist es nicht. Und, wenn ihr es vergleichen wollt, bitte nur das Fleisch vom Aldi mit dem Gemüse vom Aldi vergleichen und nicht das Hühnchen vom Discounter mit den Bio-Mangos vom Alnatura. Das wäre Äpfel mit Birnen vergleichen. Welchen Qualitätsstandard ihr dabei lebt, müsst ihr selbst entscheiden. Nur ist es erstmal nicht teuer, sich von pflanzlichen Lebensmitteln zu ernähren. Einige Rezeptideen haben wir verbloggt und sie kommen ganz ohne Flohsamenschalen, Paranüsse oder Arganöl aus. Und diese Zutaten sind genauso exotisch wie in der omnivoren Küche Straußenfleisch, Sushi oder andere, teure Öle. Also, weder nötig, noch unbedingt als Standard der veganen Küche anzusehen.
Gemüsepfannen, -aufläufe, Pestos, Aufstriche, Kuchen und Desserts sind ganz leicht gemacht und nicht kostspieliger als alle Gerichte um ein Fleischstück zu ergänzen. Ist es nicht viel mehr die Vorstellung "ich verzichte jetzt auf etwas" und das mögliche "ich muss mich dann ja umstellen und werde ich überhaupt dann satt?", die den Kostengrund vorschiebt?
Und noch Eines sei gesagt, wer wirklich exotische Zutaten ausprobieren will und auf sein Portmonee achten muss, freunde sich mit Amazon und seinem DHL-Boten an. Auch, wenn es ein amerikanischer Großkonzern ist (oder gerade deshalb) sind dort die Preise unschlagbar und nicht vergleichbar mit Bio- und Supermärkten.
2. Vegane Ernährung geht auch außerhalb der Stadt.
Womit wir schon das Wichtigste gesagt hätten. Einige vegane Supermarktketten wie das Veganz sprießen nun in den großen Großstädten aus dem Boden. Hängt wohl auch von der inzwischen erhöhten Nachfrage ab. Aber Gemüse und Obst lassen sich im Ernstfall sowieso immer noch am Besten auf Bauernhöfen kaufen, da kommt auch kaum ein Großstadtparadies mit. Ganz im Gegenteil, dort boomen Obst- und Gemüsekisten von dorfnahen Höfen, die man sich nach Hause schicken lassen kann. Back to basics also, denn die Zutaten sollen wieder nach etwas schmecken. Einer der Gründe, warum der Verzicht auf Eier, Huhn und Schwein sowieso nicht schwer fallen sollte. Denn, wenn etwas nur gewürzt und mariniert schmeckt, warum isst man es dann? Aber davon abgesehen: Alles, was man nicht auf den Höfen oder im Supermarkt kaufen kann, gibt es bei Amazon, womit wir wieder bei Punkt 1 wären.
3. Durch vegane Ernährung nimmt man nicht automatisch ab.
Es mag sein, dass durch eine drastische Nahrungsumstellung die Pfunde purzeln, aber steckt mehr hinter der Idee, sich anders zu ernähren, wird dies tatsächlich auch passieren. Der Elan bspw. mehr Sport zu betreiben geht manchmal mit einher oder weniger zu essen. Das Abnehmen kann also nicht auf nur vegane Ernährung geschoben werden. Ich nehme ja auch nicht automatisch zu, wenn ich Fleisch esse. Es kommt doch immer auf ein Lebensmittel-Bewegungs-Stoffwechsel-etc.-Kreislauf an, der bei jedem Menschen individuell ist. Vegane Ernährung ist keine Diät, sondern eine Einstellung, Spaß an neuen Rezepten. Denn jede Diät hieße irgendwann wieder zurück und dann gibt es einen Jojo-Effekt. Versprochen.
4. Das Blutbild von Veganern ist nicht schlechter als von Omnivoren.
Es gibt einen Artikel des Graslutschers, der mich zu diesem Thema besonders und nachhaltig beeindruckt hat. Lest ihn und alles ist gesagt. Die Kurzzusammenfassung: Kennen diejenigen, die fragen eigentlich ihr eigenes Blutbild?
5. Vitamin B12 und der Fleischkonsum.
Das ergänzende Vorurteil zu Punkt 4 schlechthin.
Nochmal kurz zurück in den Biounterricht: Vitamin B12 wird von Bakterien produziert, also in der Darmflora der meisten Tiere. Der Mensch macht das auch so, nur ist das eigenproduzierte Vitamin leider nicht zur Aufnahme geeignet. Blödes System. So müssen wir also alle B12 extern zu uns nehmen.
Gut, das meiste wird in besonderen Fischsorten und Innereien von Tieren zu finden sein, aber wer isst die schon (und warum heißt es eigentlich immer, man müsse Fleisch dafür essen, wenn Fisch offensichtlich den meisten Anteil hat?)?
Und selbst Fleischesser haben keine Garantie über ihren ausreichenden B12-Haushalt. Denn: jede Magenkrankheit, jede Glutenunverträglichkeit, jede Stoffwechselstörung und jede Übersäuerung des Magens verhindert die ausreichende Aufnahme des Vitamins.
Grundsätzlich muss sich jeder, der dieses "Fleisch-Vitamin" zur Sprache bringt, also auch fragen, ob er selbst davon genügend haushaltet. Und für Alle, die auf Zusatzpräperate verzichten wollen, gilt: Vitamin B12 findet sich auch in ein paar eingelegten/fermentierten Zutaten wie Sauerkraut oder Bier sowie Vitamin B12-angereichtern Lebensmitteln wie von AlproSoya (diverse Sorten Sojamilch), Cornflakes, oder Müsli.
Wer seine Werte kennen möchte, gehe aber am besten zum Arzt - egal, ob Veganer oder nicht. Nur so kann der B12-Bestand am besten überprüft, kontrolliert und ergänzt werden.
6. Auch Kinder mögen veganes Essen!
Die Eltern, die ich bisher kennengelernt habe, die selbst vegan essen, schienen alle recht tolerant ihren Kindern gegenüber zu sein. Sprich: Die bösen, tierhaltigen Lebensmittel nicht zu verbieten, sondern sie zumindest zu Hause zu verringen. Einem Kind seine Meinung aufdrücken und dadurch etwas zu verbieten, halte ich für schwierig bis nicht glücklich durchführbar. Es geht ja schließlich nicht darum, ein Nachholbedürfnis zu erzeugen oder das Kind zu einem Außenseiter zu erziehen, weil es nur Gras und Steine essen darf. Aber man kann auch Kindern zeigen und probieren lassen, was ihnen wirklich schmeckt. Nehmen wir, zugegebenermaßen ein gewagtes Beispiel bei veganer Ernährung, den Klassiker: McDonald´s. Ein Kind kann dort ruhig mal einen Buger probieren. Aber man kann ihm zeigen, dass der selbst gemachte Burger zu Hause viel besser schmeckt. Und, wenn das Kind dann bei den Vorbereitungen auch noch mit helfen darf, macht das das Kind auch glücklich ohne Spielzeugbeilage. Essen muss Spaß machen, übrigens auch Erwachsenen. Und wenn Kinder Schokolade selber machen dürfen, mag das zwar nie den Kinderriegel ersetzen, hat aber einen ganz anderen Wert. Es gibt so viele tolle, vegane Lebensmittel und Zutaten, die ein Kind mit Sicherheit mag und wo es ihm erstmal egal ist, ob ein Ei, Milch oder sonstwas drin ist. Das Kind darf es alles probieren und ebenso auch in der Kita, der Schule oder bei Nachbarskindern. Den Kindern die Freiheit zu lassen, aber an tolles, geschmackvolles Essen heranzuführen, sollte das Ziel sein. Kein Militantismus, der zur Heimlichtuerei führt. Das mögen wir als Erwachsener ja auch nicht. Und, was dieses Thema der ausgewogenen Ernährung betrifft: Für Kinder, wichtig, natürlich. Aber bitte, das hat nichts mit veganer Ernährung zu tun, sondern mit der Abwechslung und ggf. auch Überprüfung durch einen Arzt. Denn das Kind 3x die Woche zu McDonald´s zu schicken wäre ja ebenso wenig ausgewogen... Man kann als Eltern nur als positives Vorbild voran gehen. Wofür sich das eigene Kind dann entscheidet, liegt nicht in der eigenen Macht. Die Wege für eine vegane Ernährung sind dann aber schonmal aufgezeigt und vielleicht irgendwann einfacher für das Kind umzusetzen.
7. Vegan ist keine Geschmacksrichtung!
Wir wurden vor einigen Tagen gefragt, wonach eigentlich (unsere) vegane weiße Schokolade schmecken würde. Mir liegt bei so etwas die Gegenfrage: "Wonach schmeckt denn nicht-vegane Schokolade?" auf der Zunge.
Also, mal ehrlich: Vegan ist doch keine Geschmacksrichtung. Und vegane, weiße Schokolade, insbesondere, wenn sie selbst gemacht ist, schmeckt mehr nach den Inhaltsstoffen als jede im Supermarkt erhältliche. Die im Supermarkt wird in so viele Konservierungsstoffe gepackt, dass sie - Überraschung -, nach Produktion mindestens ein Jahr (!) haltbar ist. Denn sie muss ja noch von der Produktionsstätte zum Lager und von da aus irgendwann in den Supermarkt und bis sie da im Regal landet, dauert es auch noch mal. Und der Kunde will ja nun keine Schokolade im Regal vorfinden, die schon verfallen ist, außer sie ist dann reduziert. Also, muss es so lange Verfallsdaten geben und damit einhergeht nun mal die Verfälschung eines originalen Schokoladengeschmacks. Gleiches gilt übrigens extrem auffällig auch für Milch, oder kann mir einer von euch verraten, wie frisch gemolkene Kuhmilch (per Hand!) vom Bauernhof schmeckt? Die würde jedenfalls nie den Weg zum Supermarkt halten.
Und damit sind wir bei einer viel allgemeineren Frage: wie schmecken selbst gemachte Sachen? Wie selbst gemachte Marmelade im Vergleich zur gekauften, wie selbst gemachte Nudelsoßen und eben auch wie selbst gemachte Schokolade? Meistens nur nach den Zutaten, die man selbst verwendet und nicht nach künstlichen Zusatzstoffen.
8. Vegan-Deutsch, Deutsch-Vegan oder: warum es einen veganen Langenscheidt geben sollte!
Wenn du dich das nächste Mal beschwerst, dass der Käse auf meinem Brot nicht Käse heißen darf, dann schlag mir doch bitte einen anderen Begriff vor oder tue mir den Gefallen und lies diesen Artikel. Damit sei alles gesagt.
9. Vegane Lebensmittel sind nicht immer vegan.
Das Erschreckendste ist, sobald man sich mit den Inhaltsstoffen von Lebensmitteln beschäftigt, dass da tierische Zusatzprodukte in scheinbar rein pflanzlichen Produkten sind. Was macht bitte der Milchzucker in den fertigen Gnocchis oder der Café de Paris-Gewürzmischung? Und natürlich ist der Nugat in der Teemischung auch nicht vegan. Schon eine verrückte Lebensmittelindustrie da draußen. Und ein kranker Kreislauf, der nur auf eines aus ist: Geiz ist geil (bei der Industrie wie beim Konsumenten). Das auszuführen führt vielleicht ein bisschen zu weit, aber ich will, wenn ich Kartoffelnudeln essen möchte, Kartoffeln haben als Zutat und keinen Milchzucker und eine Verfälschung (siehe auch Punkt 7). Und ich will Gewürze in meinen Gewürzen und keine tierischen Zusatzstoffe. Ist das wirklich so schwer zu verstehen?
10. Warum Veganer nicht in einer Schlachterei arbeiten müssen.
Vor einiger Zeit konnte Heiko einer jungen Dame helfen, die arbeitslos war und ein Arbeitsangebot für eine Schlachterei bekam. Vielleicht sowieso kein Traumjob, aber als Veganerin der Worst Case. Was ist zu tun?
"Wenn du ein Arbeitsangebot ablehnen willst, dann musst du dich in deiner schriftlichen Begründung auf den Paragraphen 10 des SGB 2 berufen (http://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbii/10.html). In diesem Fall sind es also seelische Gründe. Ein Tierschutztext wird dir da nicht helfen, eher eine Auflistung persönlicher Fakten: Wie lange bist du schon Veganer, hat es sich vorteilhaft auf deine Gesundheit ausgewirkt usw. Zusätzlich kannst du gerne etwas zu deiner Überzeugung gegenüber Massentierhaltung schreiben. Da es eine Behörde ist, helfen dir dort aber keine "vegane Propaganda-Phrasen". Mitgliedschaft in einem Tierschutzverein wäre auch ein Vorteil, denn dann würde dich der Betrieb ebenfalls nicht einstellen. Viel Erfolg bei deiner Ablehnung!" ist Heikos Rat. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Behörden sind nun mal Behörden und wollen Gesetze und keine schönen Bilder gucken.
11. Vegan kochen können auch Andere.
Wir selbst haben uns immer die Mühe gemacht, auch vegane Freunde satt zu bekommen. Mein erster Foodblog dazu war Veganguerilla, ein schöner und einfacher Blog mit vielen leckeren Speisen. Aber es lohnt sich Veganer auch zu fragen, welche Rezepte, Blogs und Bücher sie empfehlen können. Darüber hinaus gibt es in vielen Städten inzwischen mindestens ein Café/Restaurant mit veganen Speisen im Angebot. Google wird da helfen können oder bspw. auch der Veganguide. Man wird auch außerhalb der eigenen vier Wände wunderbar satt. In Leipzig haben wir es selbst getestet und fanden das vegane Restaurant gleich das Beste, das wir dort gefunden haben. Recherchieren lohnt sich also, auch um Neues zu entdecken.
So, nun genug der Predigt und Vorurteile. Ergänzt sie gerne um eure eigenen Erfahrungen, wir freuen uns.
[daniela]